Apotheken aus Immobiliensicht

In Deutschland bestehen derzeit ca. 21.000 Apotheken mit leicht sinkender Tendenz. 2012 haben 501 Apotheken geschlossen, während 184 eine Neueröffnung unternahmen. Bei einer Fluktuationsrate von 2% bis 3% kann dieser Markt also als stabil bezeichnet werden, wenn auch die Tendenz zur Abnahme der Apothekenzahl (2008 war das Spitzenjahr mit 21.600 Apotheken) unverkennbar ist. Die Zahl der Geschäftsaufgaben ist nicht dramatisch hoch, sondern im Vergleich zu anderen Teilbereichen des inhabergeführten Einzelhandels eher gering.

Die Schließung einer Apotheke kann vielfältige und sehr individuelle Gründe haben, wobei eine erhebliche Anzahl auf Insolvenz oder mangelnde Nachfolge zurückgeführt werden kann. Beides ist jedoch für die Apothekerzunft ungewohnt und überraschend, galten Apotheken doch über Generationen als Hort der Stabilität, Solvenz und Unabhängigkeit. Die massiven Veränderungen, die in den letzten Jahren auf das Gesundheitswesen eingewirkt haben, und die Aussicht, dass sich dies in der Zukunft kaum ändern wird, haben aber deutliche Spuren bei den Approbierten hinterlassen. Zwar ist der Umsatz in Apotheken relativ konstant bzw. steigt moderat, der Margendruck aber nimmt zu. Neben der individuellen Verantwortlichkeit des Inhabers sind es daher vornehmlich exogene Einwirkungen, die eine allmähliche Veränderung in der Apothekenlandschaft verursachen und die aus immobilienwirtschaftlicher Sicht eine tiefergehende Analyse erfordern:

Zunächst lohnt ein Blick in die Umsatzklassen von Apotheken: Die Durchschnittsapotheke erzielte in 2012 einen Jahresnettoumsatz von knapp 2 Mio. €. Dieser Wert ist jedoch durch einige wenige „Umsatzriesen“ stark beeinflusst. Nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände liegen fast 60 % der Apotheken unterhalb dieses Wertes. 17 % erreichen nur sechsstellige Umsatzzahlen, während der Anteil der Apotheken mit einem Umsatz von über 4 Mio. € bei unter 5% liegt. Der Hauptumsatz wird mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (sogenannte Rx-Produkte) erreicht, der in 2012 ca. 34 Mrd. € oder 80 % des Gesamtumsatzes ausmachte.

Eine für Bewertung und Investitionsrechnung im Immobiliensektor wichtige Größe ist die nachhaltig erzielbare Miete bei einer Apothekennutzung. Die hierzu veröffentlichten Daten, die sich im Wesentlichen als Umsatzanteile zeigen, weisen eine relativ weite Spreizung auf: Während an verschiedenen Stellen und Vorträgen 5% (des Nettojahresumsatzes) und mehr als Miete genannt werden, vermitteln andere Auswertungen eher den Eindruck, dass Mieten üblicherweise eher bei 1% bis 2% liegen. Die Unterschiede beruhen u.a. auf unterschiedlichen Definitionen (Miete oder Raumkosten), vor allem aber wohl auf dem Unterschied, der in der Auswertung von Neuabschlüssen und/oder Bestandsmieten beruht. Tatsächlich dürfte wohl ein Mittelwert von 2 % bis 3% ein realistischer Wert sein, der - um die konkreten Einzelumstände angepasst – ein solides und für den Mieter noch erträgliches Fundament bei neuen Mietverträgen darstellt. Aus den Umsatzklassen und der Mietbelastung können nun Rückschlüsse gezogen werden. Unterstellt man eine durchschnittliche Flächengröße von 180 m² für eine Apotheke, so ergibt die Kombination aus Umsatzklassen und marktüblicher Mietbelastung (2,5%), dass

  • eine Miete von 10 €/m² bei annähernd 15 % der Apotheken bereits als Grenzbelastung zu werten ist,
  • die durchschnittliche Apotheke (nach Umsatzgröße) Mieten um 20 €/m² wirtschaftlich tragen kann und
  • selbst Apotheken mit Spitzenumsätzen Mieten in den größeren 1A-Lagen mit deutlich über 50 €/m² nicht mehr nachhaltig erwirtschaften können.

Die Vereinbarung von Umsatzmieten ist im Einzelhandel durchaus üblich und bietet - wenn nicht zusätzlich ein zu hoher Sockelbetrag angesetzt ist – eine Möglichkeit, volatile Geschäftsverläufe kostenmäßig für den Mieter abzufedern. Dieser Weg ist bei Mietverträgen über Apotheken verwehrt, denn § 8 des Apothekengesetzes (ApoG) untersagt eine Umsatzmietregelung. Die zuvor genannten Umsatzmieten stellen also nur eine Indikation der Miethöhe dar – wirksam vereinbaren kann man sie nicht, will man nicht die Nichtigkeit des ganzen Vertrages riskieren.
Die wirtschaftlichen (und rechtlichen) Rahmenbedingungen lösen unmittelbar Veränderungen in der Lagepräferenz von Apotheken aus.

  • Die steigende Zahl von zugelassenen Versandapotheken (2012: 3.026) benötigen für diesen Zweck zunächst nur logistische Lagequalität. Auch infolge geringerer Mieten können Preisvorteile an Kunden weitergegeben werden, was den Margendruck im klassischen, stationären Handel erhöht.
  • In den Top-Lagen deutscher Innenstädte werden Apotheken zunehmend verschwinden (IZ 12.11.2012) oder in B-Lagen ausweichen, denn sie sind nicht mehr in der Lage, die Marktmieten zu zahlen.
  • Die Apotheken folgen den Ärzten, denn hier ist ihr Hauptumsatz verortet. Standorte mit hoher Arztdichte sind daher nach wie vor des Apothekers Liebling, wenn nicht zu viele Kollegen die Verteilung des Umsatzkuchens unattraktiv machen. Insofern sind Ansiedlungen bei oder in Ärztehäusern / MVZ´s künftig das hohe Credo der Branche, denn hier sind sie quasi wettbewerbsfrei an der Quelle.
  • Umgekehrt führt der Rückzug von Arztpraxen aus ländlich-dörflichen Strukturen zwangsläufig auch zur Aufgabe des Apothekers. Dieses nahezu symbiotische Verhältnis ist dann ein weiterer Baustein in der Demontage von Versorgungseinrichtungen in strukturschwachen Regionen, die bereits jetzt unter der Binnenwanderung leiden, bevor überhaupt die demografische Entwicklung voll einsetzt.
  • Zunehmend findet man Apotheken auch in Vorkassenzonen des großflächigen Einzelhandels bzw. in Centerstrukturen. Hier gilt das Augenmerk nicht primär den Rx-Produkten, sondern vielmehr dem Freiverkauf der „OTC-Waren“ (over the counter) bzw. Non-Rx-Produkten und anderer Randsortimente. Apotheker folgen hier dem Convenienz-Gedanken des Einzelhandels beim Abverkauf von rezeptfreien, aber apothekenpflichtigen sowie freien Produktgruppen z.B. Kosmetika und Nahrungsergänzung, bei denen eine höhere Marge (als bei rezeptpflichtigen Medikamenten) erwartet wird. Diese „Gesundheitsstores“ entwickeln sich demnach auch in eine Richtung, die die klassischen Produktlinien Apotheke-Sanitätshaus-Drogerie als Gesamtkonzept verbinden, soweit die restriktive Gesetzeslage dies zulässt. Der Erfolg solcher Apotheken hängt naturgemäß von der Wettbewerbsstruktur im Umfeld und der Größe des Hauptnutzers (in der Regel Vollsortimenter) ab. Am Markt hat sich die Grundregel durchgesetzt, dass ab ca. 1 Mio. Bonkunden im Jahr durch den Ankernutzer eine Apotheke wirtschaftlich tragfähig erscheint, sofern der Kundenhauptlauf die Apotheke tangieren kann.
  • Neben den bereits genannten Trends in den Vertriebskonzeptionen sind weitere Spezialisierungs- und Diversifizierungstendenzen bei Apotheken wahrscheinlich. Hier vor allem bei der Vertiefung von eigenen Produktionslinien z.B. im Bereich Alternativmedizin oder Zytostatika. Die Apothekerzunft wird zudem große Neigung haben, ihr Beratungsangebot auszuweiten und deutlicher zu markieren.

Parallel zu den wirtschaftlichen Aspekten sind bei Apotheken auch einige technische Besonderheiten zu beachten, die nicht nur die Betreiber interessieren sollten. Die neue, im Juni 2012 in Kraft getretene Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO), deren partielle Übergangsfristen auch für Bestandsapotheken (!) Mitte 2014 auslaufen, hält nämlich auch für die Immobilienbranche einige „Tretminen“ bereit, denn: Die Verordnung umfasst neben vielfältigen organisatorischen Regeln (u.a. Qualitätsmanagementsystem-QMS) auch substanzielle Vorschriften zu dem immobiliaren Rahmen, der hier nur kurz umrissen werden kann:

  • Die Raumkonfigurationen von Apotheken werden zum Teil in ihrer Größe und Ausstattung sehr detailliert vorgeschrieben. Bei der Herstellung von Arzneimitteln (Rezeptur, Defektur) ist der entsprechende Arbeitsplatz von mindestens drei Seiten raumhoch abzutrennen. Für den Fall, dass der Rezepturarbeitsplatz im Labor eingerichtet ist, muss dieser Arbeitsplatz organisatorisch vom Laborarbeitsplatz getrennt werden, hier jedoch nicht raumhoch. Aus Hygienegründen stellen auch Rechnerarbeitsplätze incl. Drucker in der Rezeptur ein Kontaminationsrisiko dar und sind entsprechend organisatorisch „sinnvoll“ einzurichten. Für die Herstellung von Arzneimitteln, Drogen oder Drogenmischungen, sowie für Labore sind weitere bzw. andere Regeln zu beachten.
  • Der Verkaufsraum (Apothekersprache: Offizin) soll barrierefrei gemäß § 4 Behindertengleichstellungsgesetz sein. Die Soll-Formulierung lässt erkennen, dass in begründeten Ausnahmefällen Abweichungen genehmigt werden können.
  • Das Offizin muss so eingerichtet sein, dass die Vertraulichkeit der Beratung, insbesondere an den Stellen, an denen Arzneimittel an Kunden abgegeben werden, so gewahrt wird, dass das Mithören des Beratungsgesprächs durch andere Kunden weitestgehend verhindert wird. Wie dies erfolgen soll, bleibt zunächst offen.
  • Die Räume und Bereiche, in denen Arzneimittel gelagert werden, müssen eine Lagertemperatur unter 25°C gewährleisten, um die Qualität nicht nachteilig zu beeinflussen. Dieses Temperaturlimit ergibt sich sowohl aus den Zulassungen einiger Arzneimittel als auch aus den Anforderungen des Arzneibuchs. Neu ist: Um die Einhaltung der Temperatur nachweisen zu können, müssen für diese Bereiche (Lagerräume, Offizin etc.) Temperaturdokumentationen eingeführt werden. Sollten die Messungen zeigen, dass dies z.B. im Sommer nicht erreicht wird, müssen entsprechende „Maßnahmen“ getroffen werden.

Dem nächsten Besuch des Amtsapothekers wird also nicht nur der Betreiber, sondern auch der Immobilieneigentümer mit einem gewissen Unbehagen entgegen sehen. Die neue ApoBetrO wird tendenziell eher zu einer Vergrößerung von Apotheken beitragen. Gegenläufig zu dieser Flächenmehrung ist die Tendenz, bei neuen Apotheken sog. „Automaten“ als raumlogistische Kleinkunstwerke einzurichten, die signifikant weniger Fläche benötigen als die traditionellen Apothekerschubladen und organisatorisch zahlreiche Vorteile aufweisen. Auch wenn damit die Wirtschaftlichkeit verbessert wird, so steigen doch die Investitionskosten, was als zusätzliche Markteintrittsbarriere wirkt und einen zunehmenden Konzentrationsprozess befördert.