Marketing ist mehr als Werbung

Der demografische Wandel in all seinen Facetten, kontinuierlicher Fortschritt der Medizintechnik bei gleichzeitiger Verknappung finanzieller Ressourcen, die Ökonomisierung weiter Lebensbereiche, die Feminisierung der Ärzteschaft – Chiffren einer beschleunigten Veränderung im Gesundheitswesen. Auf allen Ebenen wird nach neuen Wegen und Konzepten gesucht, um diesen Veränderungen zu begegnen. Dies betrifft nicht zuletzt die niedergelassene Ärzteschaft, die über Generationen an konstanten Status und gutes, jedenfalls gesichertes Einkommen gewöhnt war. Aus Ärzten werden jetzt Anbieter, aus Patienten werden Kunden. Und diese Kunden sind zunehmend besser informiert und kritisch. Gleichzeitig ist die Erwartung der Gesellschaft an Gesundheitsbewusstsein und präventive Maßnahmen des Einzelnen gewachsen. Das klassische Arztbild wandelt sich zum Gesundheitsberater, wie das des Apothekers zum Gesundheitsdesigner.

Doch dieses Bild ist einseitig und übersieht, dass ein großer Teil des Marktes „Gesundheit“ den Gesetzen des Marktes entzogen ist. Die Grundlage hierzu hat sich letztlich aus Art. 72 GG entwickelt, in dem die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Bundeslandes hinaus postuliert ist. Daraus hat sich die Aufgabe der Kassen und Kassenärztlichen Vereinigungen gebildet, massiv durch Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit und der Budgetierung einzugreifen, um einer Überversorgung in den attraktiven Ballungsräumen einerseits und einer Unterversorgung in den strukturschwachen Regionen andererseits entgegenzuwirken. Diese Maxime ist politisch durchaus verständlich, wird aber im Zuge des zu erwartenden Sturmduos bestehend aus demografischem Wandel und Binnenwanderung kaum noch zu halten sein. Faktisch sind und waren die Lebensverhältnisse in Deutschland sehr unterschiedlich – man will nur (noch) nicht von der Fiktion des Grundgesetzes ablassen. Solange scheint es dabei zu bleiben, dass sich ein Arzt, der Kassenpatienten betreuen will, keine wirkliche Niederlassungsfreiheit hat und dass der „gute“ Arzt mit seiner Praxis nicht wachsen kann, weil er wirtschaftlich für seinen Erfolg bestraft wird.

Insgesamt sieht sich die Ärzteschaft also einem veritablen Paradoxon aus Markt und Wettbewerb hier und Regulierung dort gegenüber, das durch die Zweiteilung aus Privat- und Kassenpatienten noch an Diffusion gewinnt. In dieser Gemengelage, deren Dynamik noch lange nicht beendet ist, entschied das Bundesverfassungsgericht 2005, dass Ärzte nunmehr auch für sich werben dürfen. Es ist somit möglich geworden, mit Werbung ein weiteres großes Teilgebiet des Praxismarketings besetzen und aktivieren zu können.

Die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Marketings für die Arztpraxis und für ein Ärztehaus insgesamt wird inzwischen kaum noch bestritten, denn alleine die fachliche Qualifikation eines Arztes ist bei weitem nicht mehr nur und ausschließlich Basis und Gradmesser seines wirtschaftlichen Erfolges. Und ebenso ist die ständige Wiederholung seines neuen Mantras „Heute schon geIGeLt?“ keine Garantie für finanziell nachhaltigen Erfolg. Es geht vielmehr in erster Linie um die erkennbare Positionierung der Praxis im Wettbewerb um neue Kunden und Patienten und erst in zweiter Linie um die Abgrenzung zum Wettbewerber. Identität und Markenbildung sind Schlüsselbegriffe auch ärztlicher Marketingaktivitäten.

Beispiele für die beiden grundsätzlichen Aktionsfelder im Marketing wobei alle denkbaren Kommunikationsmedien genutzt werden wie z.B. Printmedien (Zeitungen, Flyer), Internet (Homepage, email–Account etc.) und soziale Netzwerke:

A. Internes Marketing

  • Corporate Design (Ärztehaus + Praxis)
  • Art und Qualität der Praxisausstattung, Ambiente
  • Mitarbeiterführung/Mitarbeitermotivation
  • Ablauforganisation
  • Qualitätsmanagement
  • Teambildung und –entwicklung
  • Einheitliche Praxiskleidung
  • Servicedenken der Praxismitarbeiter
  • Fortbildungen von Arzt und Mitarbeitern

B. Externes Marketing

  • Entwicklung Wort-Bild-Marke
  • Einheitliches Corporate Design (Ärztehaus + Praxis)
  • Corporate Sound
  • Signalisierungs- und Beschilderungskonzept
  • Aushängeschild „Wartezimmer“
  • Patientenservice
  • Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
  • Eventmarketing, PR-Aktionen
  • Darstellung: Wer sind wir (Foto, Film, Vita etc.) und was machen wir (Behandlungskonzepte, Praxis-Spezialisierungen etc.)
  • Empfehlungsportale
  • Netzwerkpflege
  • Mundpropaganda durch Patienten und Arztempfehlung fördern
  • Werbeartikel